Montag, 14. April 2008

Ausgeschlafen

Endlich hat der Aufschwung auch mich ereilt, kein Gerede mehr von einer möglichen Firma, ich selbst bin Teil der jungen und dynamischen Heerscharen, seit gestern steht ein lindgrüner Diesel mit Stern vor meiner Tür, der farblich mit dem Käfer meiner Freundin Karla harmoniert und neben dieser Kultkugel offeriert: Wir haben es geschafft.
Meine Idee war so schlagend wie ungewöhnlich und das hatte Joachim -Jens Steigerbühl, dessen Kurse: "Geradeaus auf der Leiter zum Erfolg" ich seit zwei Jahren instinktiv verfolgte, immer wieder als Baustein Nummer eins benannt. Ich selbst begreife nicht, warum so viele diese wichtige Grundregel einfach nicht beachteten!
Der zweite Punkt war "Beobachtung des Marktes" gewesen. Ich gebe zu, am Anfang hatte ich diesen Satz ganz einfach mißverstanden und ich war schwachsinnigerweise durch die Wochenmärkte mit ihrer reizvollen Mischung aus Brathähnchenständen und preiswerten Lederjäckchen im Stil der letzten sieben Jahre geschritten. Da mein damaliger Freund Brathähnchen über alles schätzte, war das mitnichten vertane Zeit gewesen. Aber bald wurde mir klar, daß die wundervoll eingängigen Sätze von Steigerbühl auf einem ganz anderen Level befestigt waren, er meinet DEN MARKT AN SICH, also das, was die Leute so mögen, vielleicht gar nicht brauchen, wofür sie aber desungeachtet hemmungslos Schmott rausrücken.
Die These nummer sieben, um ein wenig zu kürzen, gab den Hinweis, diesem Bedarf zur Not geschickterweise etwas nachzuhelfen, ggf. eine Not zu erzeugen. Ich selbst bewohne, das muß ich an der Stelle einflechten, eine preiswerte und formschöne Hinterhauswohnung in Mitte und befinde mich sozusagen mitten im sprudelnden Abendleben und verfolge die Szenegestalten, die sich heerscharenweise über die City ergießen. Es ist ein wirklich schönes Gefühl zu erleben, wie bigotte Sparkassenangestellte aus Minden in Nordrhein-Westphalen im Team anrücken und im Tacheles so richtig die Sau rauslassen, die sonst an ihrer Seele knabbert wie weiland dieser Vogel an der Leber von Pythagoras. Doch benennen wir das Problem: Unsere Berliner und Brandenburger in den Randzonen kommen im Gegensatz dazu nie zu solchem Kulturgenuß, warum?
Drei, vier Artikel erboster Berliner mit dem präzisen Titel: "Warum nicht wir?" - plaziert an zentraler Stelle in großformatigen Blättern reichten aus, um einen gewissen Bedarf zu schaffen. Weil der Weg rein und raus so unendlich groß ist und sie viel zu schlapp dazu, machte sich doch Tatsache keiner mehr auf den Weg zu den Kulturtempeln und das durfte nicht so bleiben. Hier nun griff ich ein und mietete eine rassige Baracke, in der ich Schlafplätze einrichtete, denen unserer japanischen Nachbarn nicht unähnlich und mit dem nötigen Komfort ausgestatte, als da wären: Dusch, TV und ein Bett! Die Sache funktionierte prächtig und ein kleines Team betreut nun die Kurzzeitschläfer und Schläferinnen, die sich nach dem Job von 17 bis Mitternacht in die Koje hauen und dann erfrischt auf die Straße und ins Nachtleben fallen. Inzwischen bis ich in Verhandlungen, einige Regierungsgebäude des Nachts als provisorischen Schlafplatz einzurichten, das Image eines Stundenhotels wird nur in Ausnahmefällen vermutet und die anfäglichen Argumente, so lange dauere eine Fahrt hinaus nach Lichterfelde oder Hennigsdorf ja nun auch nicht, konnte ich durch ein kleines Team auf der Straße entkräften. Die Jungs sind sporadisch unterwegs und helfen mit, den manchmal nur zögerlich auftretenden Stau zu beschleunigen, ein kleiner Unfall hier und da und schon sind wieder ein paar Kunden gewonnen, die auf diese Tortour gern verzichten und lieber bei uns pennen. In einigen ausgedienten Gepäckboxen kann man inzwischen seine Wechselklamotten unterbringen, und der neueste Einfall wird begeistert angenommen: "Morgenschlaf" meine Zweigstelle, bietet die Chance, früh um fünf zügig in die Stadt zu brausen, dann dort noch zwei Stündlein Schlaf abzufassen und mit der erwünschten Fröhlichkeit in den Job zu springen. Erfolg ist manchmal ganz einfach und selbst meine krittelnden Freunde, die mit ihrem sozialen Touch in ABM-Projekten rumhängen, sind mittlerweile freudvolle Nutzer meiner Einrichtung, natürlich zu Sonderpreisen, denn was ich immer am meisten haßte, waren diese total arroganten Neureichen, so will natürlich keiner von uns werden!

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